Pharisäer, Sadduzäer, Zeloten/Sikarier, Hohepriester, Rabbiner / Schriftgelehrte / Essener,  
Karäer / Karaiten, Sabbatianer / Messianer 

 
Mt 16,6 
„Jesus aber sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! 7 Sie aber überlegten bei sich selbst und sagten: Das sagt er, weil wir keine Brote mitgenommen haben. 8 Als aber Jesus es erkannte, sprach er: Was überlegt ihr bei euch selbst, Kleingläubige, weil ihr keine Brote habt? 9 Versteht ihr noch nicht, erinnert ihr euch auch nicht an die fünf Brote der Fünftausend, und wie viele Handkörbe ihr aufhobt? 10 Auch nicht an die sieben Brote der Viertausend, und wie viele Körbe ihr aufhobt? 11 Wie, versteht ihr nicht, dass ich nicht von Broten zu euch sprach? Hütet euch aber vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! 12 Da verstanden sie, dass er nicht gesagt hatte, sich zu hüten vor dem Sauerteig der Brote, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer.“ 

 

Übersicht 

In der Bibel werden mehrere Glaubensrichtungen benannt, die gleichzeitig auf politischer Ebene agierten (keine Trennung von Kirche und Staat). Da gab es die Pharisäer, Sadduzäer, Essener (nicht in der Bibel explizit benannt – ggf. Schriftgelehrte), die Zeloten/ Sikarier, Rabbiner und Karäer/Karaiten.  

Aus der antihellenistischen jüdischen Bewegung der Hasidäer („Chassidim“ = „Fromme“), die während des Seleukidenherrschers Antiochos IV. Epiphanes (175 v. Chr. −164 v. Chr.) entstanden war, gingen diverse jüdische Gruppierungen hervor. Im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung nennt der Geschichtsschreiber Flavius Josephus neben den Pharisäern noch die Sadduzäer, die Essener und Widerstandsgruppen (Zeloten, Sikarier) als (Philosophen-)Schulen (haíresis), ähnlich etwa Apg 5,17 EU und 26,5. Damit verbunden war eine politische und lebenspraktische Bedeutung. (vgl. Wikipedia – unter Stichwort Pharisäer) 

 

Pharisäer 

Die Pharisäer werden in der Bibel nur im neuen Testament erwähnt, und da hauptsächlich in den Evangelien und einige Male in der Apostelgeschichte. Im Brief an Philemon erwähnt Paulus, dass er vor seiner Bekehrung ein Pharisäer war. Ansonsten werden die Pharisäer nach der Apostelgeschichte nicht mehr erwähnt. 

In Mt 5,20 drückt Yeshua eine hohe Wertschätzung gegenüber den Pharisäern aus: Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer weit übertrifft, so werdet ihr keinesfalls in das Reich der Himmel hineinkommen.  

Im Neuen Testament werden Vertreter der Pharisäer als Heuchler oder Otternbrut kritisiert und herabgewürdigt. Jesus kritisiert sie dort, wo sie die „Überlieferungen“ (im Sinne von Tradition und Menschenlehre) über das Wort Gottes stellen (z.B. Mk 7,9). 

Die Pharisäer (hebr. פְּרוּשִׁים peruschim ‚Abgesonderte‘, lat. pharisæ|us, -i, altgriechisch Φαρισαῖος pharisaios) waren eine theologische, philosophische und politische Schule im antiken Judentum. Sie bestanden während der Zeit des zweiten jüdischen Tempels und wurden nach dessen Zerstörung 70 n. Chr. als treibende Kraft im rabbinischen Judentum die einzige bedeutende überlebende jüdische Strömung.  

Vielfach werden sie auch als „Schriftgelehrte“ bezeichnet. Ihre spirituellen Führer wurden als Chachamim (zu singular Chacham, hebräisch חכמים „Weiser“) bezeichnet. Sie waren nicht nur Experten in der Halacha (hebräisch הלכה; abgeleitet vom Verb הלך halach: „gehen“, „wandeln“),  dem rechtlichen Teil der Überlieferung des jüdischen Glaubens, sondern auch Prediger. 
 

Sadduzäer 

Auch die Sadduzäer werden in der Bibel nur im neuen Testament erwähnt, hauptsächlich in den Evangelien und einige Male in der Apostelgeschichte. Insgesamt werden deutlich weniger als die Pharisäer erwähnt.  

Die Sadduzäer gehörten nach Josephus den höheren Gesellschaftsschichten an. Das Neue Testament zeigt sie im Umfeld der Priesteraristokratie. Es ist aber nicht klar, ob etwa die Priesteraristokratie grundsätzlich oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle aus Sadduzäern bestanden habe. 

Josephus berichtet an zwei Stellen über die Sadduzäer und konzipiert sie dabei als philosophische Schule. Er kontrastiert sie mit den Pharisäern und gibt an, die Sadduzäer leugneten das Schicksal, das Eingreifen Gottes in die menschlichen Angelegenheiten und die Fortdauer der Seele. Zudem erkennen sie nur das „Gesetz“ an. Damit ist wohl gemeint, dass die (schriftliche) Tora (die fünf Bücher Mose) die einzige Grundlage religiöser Autorität sein soll, im Gegensatz zur mündlichen Überlieferung. 

Von Ihnen erfährt man in der Bibel einige ihrer Glaubensdeatils, z.B. dass sie nicht an die Auferstehung glauben (Lk 20,27 oder Apg 23,8 Denn die Sadduzäer sagen, es gebe keine Auferstehung noch Engel noch Geist; die Pharisäer aber bekennen beides.“ Elberfelder) 

Vermutlich haben sie auch eine andere Lehre bezüglich des Haltens der Feste, z.B. den Tag der Webegarbe und daher auch bezüglich Schawuot (dem Wochenfest). Dies lässt sich deshalb vermuten, weil es in Lk 6,1 Pharisäer waren, die Jesus folgendes fragten: Lk 6,1-2 „Und es geschah am zweit-ersten Sabbat, dass er durch die Saaten ging und seine Jünger die Ähren abpflückten und aßen, indem sie sie mit den Händen zerrieben. 2 Einige der Pharisäer aber sprachen zu ihnen: Warum tut ihr, was am Sabbat nicht zu tun erlaubt ist?“ (unrevidierte Elberfelder).  

Die Sadduzäer (die heutigen Karaiten) halten nämlich den Tag der Webegarbe, ab dem die 7 Sabbate auf das Wochenfest gezählt werden, immer am Tag nach dem ersten Wochensabbat nach dem Passah. Die Pharisäer (die heutigen Rabbiner) halten den Tag der Webegarbe nach dem großen Sabbat, dem ersten Tag der ungesäuerten Brote. So wurde es auch zur Zeit Jesu gehandhabt. So wurde der 1. Tag der ungesäuerten Brote ein „großer Sabbat“ genannt (vgl. Joh 19,31) während die heutigen Karaiten behaupten, dass laut der Schrift nach dem Passah nur der Wochensabbat erwähnt sei, ab dem die 50 Tage zu zählen seien. 

Die Sadduzäer (hebr. צְדוֹקִים Ṣəḏōqīm, gr. Σαδδουκαῖοι Saddoukaîoi) waren eine Gruppe des Judentums in Israel zur Zeit des Zweiten Tempels.  

Es existieren keine Texte, deren sadduzäischer Ursprung unbestritten ist. Die verfügbaren Informationen stammen aus beschreibenden Quellen. Flavius Josephus, das Neue Testament und rabbinische Texte berichten aus unterschiedlichen Gründen über die Sadduzäer. Über den „Ursprung der Sadokäer und Boëthosäer“ schrieb Eduard Baneth seine Doktorarbeit (Leipzig, 1881). 

Ursprung und Entwicklung der Sadduzäer liegen im Dunkeln. Nach einigen Forschern stehen sie in einem engeren Zusammenhang mit den Zadokiden. Nach einer in der alttestamentlichen Forschung gängigen Theorie stellte diese Gruppe, die in der Bibel nur bei Ezechiel genannt wird und dort „Söhne Zadoks“ (בני צדוק) heißt, die Hohenpriester am Jerusalemer Tempel. Die Theorie setzt voraus, dass Zadok, der Priester Davids und Stammvater der vermuteten Dynastie, dem Namen „Sadduzäer“ zugrunde liege.  

Andere Forscher lehnen dies ab oder halten einen Zadok, der nicht „der“ Zadok gewesen sei, für den Gründer der Sekte. Letztlich ist das Problem philologisch nicht eindeutig zu lösen. Eine andere Theorie geht davon aus, die Sadduzäer seien um 150 v. Chr. entstanden, weil Josephus sie für diese Zeit erstmals nennt; da es sich bei der Nennung (in den Antiquitates Judaicae) aber um einen Exkurs handelt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Josephus ihre Entstehung in diese Zeit setzt. Zudem stellt er seinen anderen Sadduzäerexkurs (im Bellum Judaicum) in den Kontext des frühen 1. Jahrhunderts n. Chr. Nach anderen entstanden die Sadduzäer erst Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. oder sogar erst im 1. Jahrhundert n. Chr. 

Josephus berichtet allerdings, Johannes Hyrkanos I. habe sich Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. von den Pharisäern losgesagt und den Sadduzäern angeschlossen. Eine weiterhin von Teilen der Forschung vertretene Theorie verbindet die Sadduzäer mit den Schriften von Qumran (Essener). Die Schriften kennen eine Gruppe namens „Söhne Zadoks“ und weisen in der Gesetzesauslegung Parallelen zu dem auf, was die späteren rabbinischen Quellen als sadduzäische Auffassung bezeichnen. Was dieser Befund jedoch aussagen kann, ist umstritten. 

Das Ende der Sadduzäer hat man oft mit der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. in Verbindung gebracht, weil man annahm, die Sadduzäer seien als Tempelaristokratie zu bezeichnen. Das ist jedoch nicht beweisbar, zudem gab es auch nach 70 noch jüdische Priester.  

Da zudem die rabbinischen Texte gegen die Sadduzäer polemisieren, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch nach 70 noch Menschen gegeben hat, die sich Sadduzäer nannten. 

 

Zeloten / Sikarier 

Die Zeloten werden in der Bibel nicht explizit erwähnt. Möglicherweise waren Pinhas (3. Mo 25) und Judas der Galiläer aus Apg 5,37 Zeloten. 

Der Begriff Zelot (von altgriechisch ζηλωτής zelotes, ‚Eiferer‘; hebräisch קנאי kanai) leitet sich von der biblischen Person Pinchas ben Eleasar, einem Enkel Aarons, ab, der ein religiöser Eiferer war und mit dem Speer in der Hand „für seinen Gott eiferte“. Dies tat er, indem er einem anderen Israeliten, der sich mit einer fremden Frau eingelassen hatte, in dessen Zelt folgte und ihn und die Frau mit seinem Speer durchbohrte (4. Buch Mose, 25). Im Folgenden wurden bestimmte religiöse jüdische Eiferer jahrhundertelang als Zeloten bezeichnet. 

In der deutschen Bildungssprache wird die Bezeichnung Zelot heute manchmal auch allgemein für einen Eiferer oder Fanatiker verwendet, jedoch nach wie vor üblicherweise für einen religiös motivierten. 

Im Zusammenhang mit dem sogenannten Synkretistischen Streit werden die orthodoxen Lutheraner (als eine der beiden Streitparteien) als Zeloten bezeichnet. 

Die Zeloten waren eine von Judas dem Galiläer (hebräisch יהודה בן חזקיה Jehuda ben Ezechias (Hezekiah)) und einem pharisäischen Rabbi oder Chacham mit dem Namen Zadok (auch: Sadduk, zu hebräisch צדיק ṣaddīq, deutsch ‚Rechtschaffener‘ oder ‚Gerechter‘) im Jahre 6 n. Chr. gegründete paramilitärische Widerstandsbewegung der Juden gegen die römische Besatzung.Im Jüdischen Krieg fielen bei der Eroberung von Jerusalem (70 n. Chr.) durch römische Legionäre viele von ihnen. Die letzten Aufständischen, die sich nach dem Fall der Stadt in die Bergfestung Masada zurückgezogen hatten, konnten sich noch bis 73 n. Chr. den römischen Legionen widersetzen. Als sie erkannten, dass ihr Widerstand nicht mehr aufrechterhalten werden konnte, beschlossen sie gemäß der Überlieferung, als freie Bürger aus dem Leben zu scheiden, töteten alle anwesenden Frauen und Kinder und warfen das Los, um zu bestimmen, wer die Pflicht habe, seine Kameraden in den Tod zu befördern. Die Zeloten waren gewissermaßen der ‚militante Arm‘ der pharisäischen Bewegung. 

Die Zeloten traten vermehrt in das politische Geschehen ein, als der Zensus, der von der römischen Militärverwaltung in der Provinz Judäa erhoben werden sollte und vom ersten Statthalter Coponius und dem syrischen Legaten Publius Sulpicius Quirinius eingezogen würde, den allgemeinen Widerstand in der Bevölkerung akzentuierte. Mit dem der Amtsübernahme in Judäa musste Publius Sulpicius Quirinius das Steuerwesen der neuen Präfektur reorganisieren. Dazu war es notwendig, die steuerpflichtige Bevölkerung in Listen zu erfassen. 

Zum Widerstand gegen diese Maßnahme riefen ein Pharisäer namens Sadduk (auch: Zadok) und ein aus den Golanhöhen stammender Mann namens Judas auf. Dieser Judas (Apg 5,37 EU), wahrscheinlich ebenfalls ein Pharisäer und Schriftgelehrter, wird auch Judas der Galiläer genannt. Beide Männer waren u. a. die Anführer dieser Gruppierung in Israel. 

In der byzantinischen Geschichtsschreibung des 8. und 9. Jahrhunderts werden als Zeloten die Angehörigen des unversöhnlichen Flügels der Bilderverehrer bezeichnet, die jeglichen Kompromiss mit den Bilderfeinden ablehnten. Als ihr Führer galt um 787 Theodoros von Studios. 

Ebenfalls in der byzantinischen Geschichtsschreibung taucht der Begriff nochmals als Eigenbezeichnung einer Gruppe radikaler Politiker auf, die in Thessaloniki 1342–49/50 eine Stadtrepublik und eine autonome „Revolutionsregierung“ errichtet hatten. Ihre Führer waren Michael und Andreas Palaiologos, ihre Hauptstützen bildeten die Seeleute, Unterstützung kam von den Bauern der Umgebung. Gegner der Zeloten waren die sogenannte Magnatenpartei um Johannes VI. Kantakuzenos und die Hesychasten, innerhalb der Zeloten rivalisierten die Kaufleute und antioligarchische Kräfte miteinander. Die 1343 gestürzte Fraktion der Kaufleute versuchte unter Führung des Johannes Apokaukos, der Michael Palaiologos getötet hatte, 1345 vergeblich, die Macht zurückzuerobern. Die radikalen Zeloten unter Andreas Palaiologos folgten fortan einem sozialpolitischen Reformprogramm, das auch Enteignungen besitzender Schichten und eine blutige Gewaltherrschaft mit sich brachte. Diese größte Volksbewegung des späten Byzantinischen Reiches wurde 1349 mit Hilfe türkischer Truppen niedergeschlagen. 

Die Sikarier („Messerstecher“, „Messerschwinger“, „Dolchträger“; von lateinisch sica = Dolch) waren eine gegen die Römer und ihre Okkupation gerichtete jüdische Gruppe im 1. Jahrhundert.[1] Ihre bevorzugte Waffe war ein Dolch, die Sica. 

Marcus Antonius Felix wurde bekannt dafür, dass er die messianischen Aufstandsbewegungen mit harter Hand unterdrückte; auch stand er Gerüchten zufolge, die Flavius Josephus kolportierte, in Verbindung mit dem Mord der Sikarier an dem Hohepriester Jonathan ben Hannas (im Amt von 36–37 und 44) im Jahr 56 n. Chr. 

Der Politologe David C. Rapoport sieht Sikarier und Zeloten als terroristische Gruppierungen an. Obgleich es sich um verschiedene Phänomene handelte, waren doch die Unterschiede mehr im praktisch-taktischen Handeln als im Ideologischen zu suchen. So hätten die Sikarier zumeist Mitglieder der jüdischen Bevölkerung terrorisiert, die Zeloten hingegen die römische Besatzung, aber auch Griechen. 

Nach einer Hypothese könnte auch Judas Iskariot, einer der Jünger Jesu, ein Anhänger dieser Gruppe gewesen sein, woher sich sein Beiname „Iskariot“ erkläre. Da die Sikarier Flavius Josephus zufolge erst zu einem Zeitpunkt auftraten, als Judas laut den Evangelien schon längere Zeit tot war, gilt dies allerdings als relativ unwahrscheinlich, zumal es andere plausible Erklärungsmöglichkeiten für den Beinamen gibt. 

 

Hohepriester 

Gemäß der Torah wurde der gesamte Stamm Levi auserwählt, im Tempel zu arbeiten und zu dienen. Eine Untergruppe der Leviten, die Kohanim, waren berechtigt und übten im Tempel von Jerusalem den Dienst am Allerheiligsten aus, (hebräisch כהן גדול kohen gadol, deutsch ‚großer Priester‘). 

Aaron, Bruder des Moses, sowie Aarons Söhne wurden auserwählt, als Hohepriester zu dienen, und der Rest des Stammes war dazu bestimmt, ihre Rolle als Priester zu erfüllen. Vor dieser Zuteilung an die Leviten waren die Erstgeborenen aller Familien der Israeliten dem heiligen Dienst gewidmet. Nach dem Exil waren das Priestertum und das Amt des Hohenpriesters nachweislich erblich. 

Altes Testament (Tanach) 

Aaron, der Bruder des Moses, gilt im Tanach als der erste Hoherpriester der Israeliten. Er wird von JHWH selbst zum obersten Priester ausersehen (Exodus 28 EU). In der Bibel wird der Hohepriester häufig erwähnt. Als solcher erhält bereits der König Melchisedek vom späteren Patriarchen Abraham den Zehnten als freiwillige Abgabe (Genesis 14,18ff EU). Aus anderen historischen Quellen lässt sich der Hohepriester seit 520 v. Chr. nachweisen. Im Alten Testament bezeichnen mehrere Bibelstellen und Prophezeiungen den künftigen Messias als Priesterkönig und wahren Hohepriester der Juden – etwa in 1. Mose 14,18 EU und 2. Mose 28,1 EU (siehe auch Hebräer 4,7 EU) oder im Psalm 110 EU. Für die römische Besatzungsmacht war der Hohepriester damit der zentrale Ansprechpartner. 

Im Ersten Buch der Makkabäer heißt es dazu: 

"Darum beschlossen die Juden und ihre Priester, Simeon solle für immer ihr Anführer und Hoherpriester sein, bis ein wahrer Prophet auftrete.” 

Auch solle er ihr Befehlshaber sein und für das Heiligtum Sorge tragen; durch ihn seien die Beamten zu ernennen für die Arbeiten am Tempel, für das Land, das Heer und die Festungen. 

[Er solle für das Heiligtum Sorge tragen.] Alle hätten ihm zu gehorchen. Jede Urkunde im Land müsse in seinem Namen ausgestellt werden. Auch dürfe er sich in Gold und Purpur kleiden. 

Keinem aus dem Volk oder aus der Priesterschaft sei es erlaubt, eine dieser Bestimmungen außer Kraft zu setzen, gegen seine Anordnungen zu verstoßen, ohne seine Erlaubnis im Land eine Versammlung einzuberufen, Purpur zu tragen oder eine goldene Spange anzulegen.“ – (1 Makk 14,41–44 EU) 

Funktion des Hohepriesters 

Bis in die Zeit der römischen Herrschaft (ab 63 v. Chr.) hatte der Hohepriester (archiereus) sein Amt bis an sein Lebensende inne; das Amt selbst war erblich. Die Römer unterbrachen diese Linie, indem sie den Hohepriester benannten und auch absetzten. 

Im Bereich der Religion hatte der Hohepriester die zentrale Funktion. In allen Fragen der Religion, der Priesterschaft und des Gottesdienstes hatte er die oberste Aufsicht und Weisung. Er musste eine besondere kultische Reinheit wahren und war der Einzige, der einmal im Jahr zu Jom Kippur (Versöhnungstag) das Allerheiligste des Tempels betreten durfte. Dort empfing er stellvertretend für das Volk die Vergebung Gottes. Im Jahreslauf brachte er die wichtigsten Opfer dar. 

Seit der Zeit der Makkabäer war der Hohepriester zugleich der oberste politische Führer. Er war Vorsitzender des Hohen Rates oder Sanhedrin (Synedrion). Dieser Rat war der höchste jüdische Gerichtshof und die wichtigste politische Institution, die selbst unter der Herrschaft der Römer noch über erhebliche Autonomie verfügte. 

Nach der Zerstörung des Tempels (70 n. Chr.) 

Nach dem großen Jüdischen Aufstand zerstörten die Römer im Jahr 70 den Jerusalemer Tempel und damit das kultische Zentrum des Judentums. Der Tempelkult und die kultische Rolle des Hohepriesters hatten über die Tempelzerstörung hinaus keinen Bestand. Doch schon vorher trachtete Rom, den Einfluss der Oberpriester zu begrenzen. Eine Analyse zur Verhaftung des Paulus schreibt: „Deshalb wurde ihm das Anlegen der hohepriesterlichen Amtstracht nur an bestimmten hohen Feiertagen erlaubt. Ferner ließ man einen Hohepriester nie sehr lange auf seinem Posten, sondern wechselte häufiger, damit nicht ein Hohepriester allzu großes Ansehen erlangen konnte.“ 

Die alten kultischen Formen wurden nicht weitergeführt, der Vorsitz des Sanhedrins wurde von einem Patriarchen übernommen. In der weiteren Entwicklung des Judentums ging die führende Rolle auf die Schriftgelehrten beziehungsweise die Pharisäer über. Woraus sich das Rabbinische Judentum entwickelte. Die heutige Funktion eines Oberrabbiners hat jedoch mit jener eines früheren Hohepriesters nur wenig gemeinsam. 

Die von den Päpsten verwendete Selbstbezeichnung Summus pontifex knüpft zwar an den Begriff des Hohepriesters an, zugleich bedeutet die Bezugnahme auf römisch-rechtliche Kategorien (Pontifex Maximus) eine klare Distanzierung vom israelitischen Priesterbegriff. Als vicarius Christi verweist der Papst, und mit ihm die gesamte Priesterschaft, auf Jesus Christus als einzigen Priester (Mittler zwischen Gott und den Menschen) des Neuen Bundes. 

Neues Testament 

Auch das Neue Testament nimmt mehrmals auf den Hohepriester (altgriechisch ἀρχιερεύς archiëreús) Bezug. Nach Darstellung der Evangelien führt der Hohepriester Kajaphas den Vorsitz beim Verhör von Jesus; danach wird Jesus an Pontius Pilatus übergeben. Im Neuen Testament wird der Begriff manchmal in erweiterter Bedeutung verwendet und von Hohepriestern in Mehrzahl gesprochen (z. B. in Lk 23,4 EU); auch die ehemaligen Hohepriester (z. B. Hannas) und hohe Mitglieder der vornehmen fünf Priesterfamilien beziehungsweise Leviten, aus denen diese ursprünglich stammten, werden als Hohepriester bezeichnet (Apostelgeschichte des Lukas, Kapitel 4,6 EU; in Kapitel 5–19 allerdings nicht mehr). 

Theologische Deutung: Jesus als Hohepriester 

Gemäß dem Hebräerbrief ab Kapitel 2 EU läuft das levitische Priestertum im Neuen Bund aus und Jesus gilt als neuer „Apostel und Hoherpriester“ (Heb 3,1 EU) „nach der Ordnung Melchisedeks“ (Heb 5,6 EU): 

„Das frühere Gebot wird nämlich aufgehoben, weil es schwach und nutzlos war – denn das Gesetz hat nicht zur Vollendung geführt –, und eine bessere Hoffnung wird eingeführt, durch die wir Gott nahekommen. Das geschieht nicht ohne Eid; jene anderen sind ohne Eid Priester geworden, dieser aber durch einen Eid dessen, der zu ihm sprach: ‚Der Herr hat geschworen und nie wird es ihn reuen: Du bist Priester auf ewig.‘ (Zitat aus Ps 110,4 EU). ‚So ist Jesus auch zum Bürgen eines besseren Bundes geworden.“ (Heb 7,18–22 EU) 

Dieses – erstmals sündlose (1 Joh 3,5 EU; Heb 7,26–27 EU) – und darum „heilige“, „unschuldige“ und „von den Sündern abgesonderte“ Hoherpriestertum Jesu (Heb 7,26 EU) sei durch das Menschsein (1 Tim 2,5 EU) und die Versuchungen Jesu dennoch von der Fähigkeit geprägt, mit menschlichen Schwächen mitfühlen zu können: „Da wir nun einen erhabenen Hohepriester haben, der die Himmel durchschritten hat: Jesus, den Sohn Gottes […] nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat“ (Heb 4,14-16 EU). 

Im Gegensatz zum levitischen Priestertum des alten Bundes, dessen Hohepriester „der Tod […] hinderte zu bleiben“, sei das neue Hohepriestertum Jesu in Bezugnahme auf Ps 110,4 EU darüber hinaus „unvergänglich“ (Heb 7,23-24 EU) in seinem Dienst „vor Gott“ (Heb 2,17 EU). Da er als gerechter „Beistand“ der Gläubigen (griechisch parákletos, 1 Joh 2,1 EU) „allezeit [lebe], um für sie einzutreten“, könne er „die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten“ (Heb 7,25 EU). 

 

Rabbiner / Schriftgelehrte / Essener 

Das Wort „Rabbiner“ kommt in der Bibel nicht vor, dafür aber das Wort „Rabbi“ oder „Rabbuni“ mehrfach in den Evangelien. 

Ein Rabbiner ist ein Funktionsträger in der jüdischen Religion. Seine Hauptaufgabe ist es, die Tora zu lehren. Die Grundform des Rabbiners entwickelte sich in der Pharisäer- und Talmud-Ära, als sich gelehrte Lehrer versammelten, um die schriftlichen und mündlichen Gesetze des Judentums zu kodifizieren. Der erste Weise, für den die Mischna den Titel eines Rabbiners (hebräisch רַבִּי rábbî) verwendet, war Jochanan ben Sakkai, ein Gelehrter des 1. Jahrhunderts. 

In den verschiedenen jüdischen Glaubensrichtungen gibt es unterschiedliche Anforderungen an die rabbinische Semicha (hebräisch סְמִיכָה Auflegen (der Hände)) und heftige Meinungsverschiedenheiten darüber, wer als Rabbiner anerkannt wird. So gibt es im orthodoxen und im ultraorthodoxen Judentum keine Rabbinerinnen. Das konservative Judentum hingegen lässt Frauen aus halachischen Gründen als Rabbinerinnen zu, das Reformjudentum aus ethischen Gründen. 

Der Begriff Rabbiner leitet sich aus hebräisch רב Rav, plural רבנים Rabbanim ab. Aschkenasisch-hebräisch und jiddisch lautet die Bezeichnung Row, Mehrzahl Rabbonim, beziehungsweise aramäisch Rabbuni „Meister, Lehrer“. Dieser religiöse Titel geht auf die gemeinsemitische Wurzel (hebräisch רבה raba, deutsch ‚groß sein‘) zurück. Rebbezin wird die Ehefrau des Rabbiners bezeichnet. 

Für sephardischen Rabbiner ist die Bezeichnung (hebräisch חכם Chacham, deutsch ‚Weiser‘) üblich, beispielsweise Chacham Baschi, bei den jüdischen Karaimen Chassan. 

Als Rabbi (hebräisch רַבִּי mein Lehrer, mein Meister, Gelehrter) werden seit dem Altertum, vom Zeitalter der Mischna bis ins Mittelalter, jüdische Gelehrte bezeichnet, die die Vorschriften der Tora auslegen. Im Plural werden zwei Formen verwendet, Rabbis oder Rabbinen. Normalerweise wird kein Artikel verwendet. Ein Artikel wird nur gebraucht, wenn „Rabbi“ in einer bestimmten Qualität, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitabschnitt als Subjekt oder Objekt im Satz steht. 

Rabbi war auch ein Ehrentitel für besondere Tora-Gelehrsamkeit. (Auch Jesus von Nazaret wird im griechischen Neuen Testament oftmals als Rabbi angesprochen). 

Verwandt mit dem Wort Rabbi sind die jiddischen Begriffe Rebbe und Reb. Rebbe bezeichnet den Anführer einer chassidischen Gemeinschaft. Der Titel vererbt sich vom Vater auf den Sohn. 

Mit Reb wird ein Mann ehrenvoll zur Lesung der Tora aufgerufen. Im Alltag ist es durchaus üblich jeden frommen Juden mit Reb anzusprechen. 

Ein Schriftgelehrter (hebräisch סוֹפֵר sofēr, altgriechisch γραμματεύς grammateús) war in der Antike ein Kenner der heiligen Schriften des Judentums. Der Begriff ist vor allem durch Martin Luthers Bibelübersetzung bekannt. Er wurde von Luther zwar nicht neu geschaffen, aber von ihm geprägt: vor Luther bezeichnete es den literarisch oder juristisch Gebildeten, in der Lutherbibel den jüdischen Gelehrten. Im Zuge der Rezeption der Lutherbibel kann „Schriftgelehrter“ in der Neuzeit zur leicht ironischen Bezeichnung eines (christlichen) Theologen werden oder eine Person mit eher oberflächlicher, angelesener Bildung bezeichnen. 

Das Judentum bezieht seine autochthone kulturelle und vor allem religiöse Identität aus dem Sinnverständnis der „heiligen Texte“, etwa der Tora. In der Zeit während und nach dem babylonischen Exil (587/586–538 v. Chr.) wurde die verschriftliche Tora kompiliert, sie war die historische Voraussetzung für ein Schriftgelehrtentum. Schriftgelehrte waren mit dem jüdischen Tempel verbunden und einige von ihnen hatten auch Sitze im Sanhedrin. So waren die ersten professionalisierten Schreiber, Sofer (hebräisch סֹפֵר), eben die hochgebildeten Schriftgelehrten, die in den Diensten des Jerusalemer Tempels standen. Ab ca. 200 v. Chr. wuchs ihr Einfluss auf die religiöse und kultische Literatur. Die Gruppe dieser Lehrer fand man bei den offiziellen Tempelpriestern (aus dem Stamm Levi, vgl. Kohen), ebenso aber in den einzelnen jüdischen Strömungen, wie z. B. bei den Essenern, Sadduzäern und besonders den Pharisäern. Sie wurden mit dem Ehrentitel Rabbi angeredet. 

Im Neuen Testament wurden auch Lehrer, die Jünger um sich scharten, wie Jesus von Nazaret, wurden Rabbi genannt. Das Neue Testament berichtet zudem von christlichen Schriftgelehrten (z. B. Mt. 8, 19 und 23, 34–36), grenzt sie aber klar von Propheten und Weisen ab. Somit sind die Begriffe „Rabbiner“ und „Schriftgelehrter“ nicht völlig deckungsgleich, aber eng verwandt. Im Christentum des Neuen Testaments ging der Begriff des Lehrers weitgehend im Apostelamt auf, da der Lehrer die Schrift auslegt (z. B. Paulus von Tarsus), während die Lehre in den Hauskirchen nur verbreitet wurde. Zuweilen betätigten sich aber auch Gemeindeälteste als Lehrer (umfangreichere Lehrabschnitte finden sich dazu in den neutestamentlichen Schriften Römerbrief und Apostelgeschichte). 

Als Essēner oder Essäer, hebräisch אִסִּיִים wird eine nur literarisch belegte religiöse Gruppe im antiken Judentum vor der Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels (70 n. Chr.) bezeichnet, deren wesentliche theologische Hauptmotive die „messianische Naherwartung“ und die „Kritik am unreinen Tempelkult“ in Jerusalem waren. 

Nach verschiedenen Angaben zeitgenössischer Autoren befolgten sie strenge, zum Teil asketische Lebensregeln. Außer diesen literarischen Zeugnissen gibt es keine Beweise ihrer Existenz. Die seit 1952 einflussreiche These, sie seien identisch oder verwandt mit den Bewohnern von Qumran („Qumran-Essener“) und den Herstellern und Autoren einiger oder aller Schriftrollen vom Toten Meer, wird heute aufgrund der Befunde relativiert oder bestritten. 

Die Gruppierung wurde von Philon von Alexandria, Plinius dem Älteren und Flavius Josephus beschrieben. Demnach war sie eine im 2. Jahrhundert v. Chr. entstandene jüdische Ordensgemeinschaft in Palästina, die eine Form des erhöhten Pharisäismus kultivierte, aber möglicherweise auch vom Zoroastrismus, Pythagoreismus und vom Buddhismus beeinflusst worden war. Neben den Essenern und der Qumran-Gruppierung wird noch die Gruppe der Nazoräer genannt, die den Essäern nahegestanden haben sollte. Die Essener können gewissermaßen als eine Vereinigung angesehen werden, die Ähnlichkeit zu späteren Mönchsorden aufwies, die aber dem damaligen jüdischen Selbstverständnis nicht entsprach. 

Herkunft und Bedeutung der Namen für die Gruppierung sind unbekannt. Einige Autoren vermuten, sie seien vom hebräischen Ausdruck (hebräisch עוֹשֵׂה הַתּוֹרָה oseh hatorah) „Täter der Tora“ abzuleiten. In den bei Qumran gefundenen Schriften fehlt dieser Ausdruck; dort, wo er bisweilen erscheint, ist er keiner besonderen Gruppe zugeordnet, da alle Juden die Tora zu befolgen hatten. 

Andere vermuten eine Herkunft des Namens vom aramäischen hasin und dem hebräischen Äquivalent hasidim (Fromme), nehmen also eine Nähe der Essener zu den um 300 v. Chr. im Judentum aufgekommenen Hasidäern („Chassidim“) an. 

Der Name „Essener“ kann etymologisch von aramäisch חזן ḥāzên „rein, heilig“ abgeleitet werden. Nach der in Qumran gefundenen Gemeinderegel (1QS) bezeichnete sich die dortige Gruppe selbst als „Einung“ (aramäisch יחד jāḥad „Einung“). 

Auf Griechisch wurde diese Gruppe Essaioi (altgriechisch Ἐσσηνοί) oder Essenoi, auf Lateinisch Essei oder Esseni genannt. Der christliche Bischof Epiphanius von Salamis (315–403) unterschied Jessaioi, samaritanische Essaioi und judäische Ossaioi voneinander. 

 

Karäer oder Karariten 

Die Karäer (karaimisch Къарайм Qarajm, Къараймлер Qarajmler) (auch hebräisch בני המקרא Bene ha-Miqra, deutsch ‚Söhne des Lesens‘ oder als hebräisch יהדות קראית Yahadut Qara'it) verstehen sich als jüdische Religionsgemeinschaft, die sich seit dem 7./8. Jahrhundert n. Chr. als Oppositions-bewegung gegen die Auslegung der jüdischen Gebote mit dem Talmud im dominierenden rabbinischen Judentum herausbildete und sich bis zum 12. Jahrhundert in den meisten orientalisch-jüdischen Gemeinschaften, auch im Byzantinischen Reich vom islamischen Spanien und dem Balkan bis nach Mittelasien (aber nicht in West- und Mitteleuropa) verbreitete, ab dem 16. Jahrhundert aber wieder viele Anhänger verlor. Im 19. Jahrhundert existierten größere Anhängerschaften des Karäertums nur noch auf der Krim und in einigen osteuropäischen Regionen, deren Vorfahren im Spätmittelalter auch von der Krim gekommen waren, sowie in Ägypten. Sehr kleine Restgemein-schaften bestanden daneben noch in Istanbul, Jerusalem und im Irak. Die meisten Karäer, besonders die orientalischen, wanderten im 20. Jahrhundert vorwiegend nach Frankreich und Israel aus. 

Aus historisch gewachsenen Gründen wird besonders die turksprachige Volksgruppe der Krim und Osteuropas als Karäer bezeichnet, entstanden aus einer Gruppe Anhänger der karäischen (nicht-rabbinischen) jüdischen Religion, deren Sprache auf der Krim entstand. Sie breitete sich im Spätmittelalter durch Ansiedlung von Gemeinden anfangs nach Trakai (Litauen, polnisch Troki), von dort auch nach Panevėžys (in Litauen) und Wizebsk (heute Belarus), sowie nach Luzk (heute Ukraine, Region Podolien) und Halytsch (mit dem Vorort Salukwa; Galizien/ Ukraine), früher auch in einzelne Dörfer der näheren und ferneren Umgebung (wie Šėta/Westlitauen oder Kukesiw, westlicheres Ostgalizien) aus. Mit der Verstädterung entstanden kleine karäische Gemeinden in Vilnius, Warschau, Kiew, Odessa, Charkiw, Jewpatorija und anderen osteuropäischen Städten, wo ihre traditionelle Umgangssprache oft außer Gebrauch kam. Diese Karäische oder Karaimische Sprache gehört zur pontisch-aralischen Untergruppe des nordwestlichen Zweiges der Turksprachen und unterteilt sich in den östlichen Dialekt auf der Krim mit nur noch wenigen aktiven Sprechern, den südwestlichen Dialekt in Galizien und Podolien (letzte Sprecher in Halytsch und Salukwa) und einen nordwestlichen Dialekt in Litauen und Belarus (letzte Sprecher in Trakai). Die früher ebenfalls im Alltag turksprachigen rabbinischen Juden der Krim sind die Krimtschaken. Über den Ursprung der Krim-Karäer und osteuropäischen Karäer gibt es mehrere Gründungslegenden. 

Die Karäer waren in ihren Anfangszeiten auch unter der Bezeichnung Ananiten bekannt. Das bezog sich auf Anan ben David, unter dem sie sich im 8. Jahrhundert n. Chr. vom heutigen Irak und Iran aus nach Palästina ausbreiteten. Heute werden sie meist Karaim, Karäim oder Karaiten genannt. Dieser Name stammt von der althebräischen Bezeichnung קרא kar’a, deutsch ‚lesen‘ ‚rezitieren‘ und dann kara מקרא in der Bedeutung „die (Heilige) Schrift lesen“. 

Einige sehen als Ursprung der Karäer einen Konflikt, der im zweiten vorchristlichen Jahrhundert im jüdischen Priestertum zwischen der Mehrheit und einer Minderheit von Gläubigen aufbrach, die als „Söhne Zadoks“ – möglicherweise Sadduzäer (hebräisch: Zaduquim, arabisch: Saduqiyah) oder einer anderen Gruppe, die von den Griechen als Essener bezeichnet wurden, welche die übrige Priesterschaft als ungläubig und unrein betrachteten. Zu einer deutlich vom rabbinischen Judentum abgrenzbaren Religionsgemeinschaft wurden die Karäer wohl spätestens im 8. Jahrhundert n. Chr. unter Anan ben David, der vermutlich allerdings selbst kein Karäer war. In dieser Zeit übernahmen sie vermutlich einige Anschauungsweisen des Islam in ihr philosophisches und wissenschaftliches Weltbild. Besonders im Reich der turkstämmigen Chasaren sollen sie erfolgreich Anhänger geworben haben; andere dagegen glauben, dass die Chasaren überwiegend zum rabbinischen Judentum konvertierten. Einige halten erst Aaron ben Moses ben Asher (אהרון בן משה בן אשר ʾAhărôn ben Mōšeh benʾĀšēr), der etwa 960 n. Chr. starb, für den Gründungsvater der Karäer. Das ausgehende 10. und beginnende 11. Jahrhundert n. Chr. gilt jedenfalls als Goldenes Zeitalter der Karäer: So bildeten sie in Jerusalem in einer eigenen Akademie zahlreiche Wissenschaftler aus. Im 9.–12. Jahrhundert hatten sie im Orient einen großen Einfluss und „konnten das dortige Judentum großenteils für sich gewinnen.“ Es gab vor allem in Palästina in fast jedem größeren Ort eine karäische Gemeinde. 

Die Karäer verstehen den jüdischen Glauben als strikte Buchreligion. Sie interpretieren die Gebote (hebräisch Mitzwot) ausschließlich aus dem Tanach und nicht aus der mündlichen Tora des rabbinischen Judentums, d. h. dem Talmud, den sie als Abweichung von der dem jüdischen Volk historisch gesehenen göttlichen Offenbarung sehen. Der Talmud gilt ihnen als „von Menschen gemachte […] Lehre“, die Rabbinen dementsprechend als „Talmudisten“. Dem rabbinischen Judentum gaben sie „Anstöße zur Pflege und Auslegung des Bibeltextes, zur philosophischen Untermauerung der Theologie und zu einer […] eindringenden Beschäftigung mit der Tradition“. 

Gemäß ihrer Ansicht sind nicht die Karäer, sondern die anderen Zweige des Judentums von der göttlichen Offenbarung abgewichen. Sie berufen sich darauf, die originale Form des Judentums auszuüben, da im Tanach keinerlei Andeutungen auf ein mündliches Gesetz vorzufinden sind und diese Idee erst Jahrhunderte nach der Offenbarung entstand. Daher werden heutzutage die Karäer in Israel als nichtreligiöse Juden eingestuft. Ihrerseits laden Karäer Mitglieder des rabbinischen Judentums ein, sich ihrer Deutung der Glaubensquellen anzuschließen, was keine Konversion bedeute. 

Ein verbindliches Lehramt kennen die Karäer nicht, sondern betonen, dass jeder Gläubige das religiös Gebotene durch eigenständiges Lesen der Tora selbst erkennen müsse. Diese Einstellung war wohl maßgeblich dafür, dass die Karäer die Tora erstmals auch sprachwissenschaftlich untersuchten. Sie verglichen Übersetzungen der Tora in aramäisch, hebräisch und arabisch und entdeckten dabei die nahe Verwandtschaft dieser semitischen Sprachen. 

Entsprechend ihrer Kritik am Talmud haben die Karäer keine Jeschiwot (Talmud-Schule) wie rabbinische Juden. Ihre Gebetshäuser nennen sie Kenesa statt Synagoge, ähnlich dem hebräischen Begriff Beit Knesset (בית כנסת = Versammlungshaus). Darin stehen sie, statt zu sitzen, und ihre Gebete verrichten sie nach Süden statt Osten gewandt und ohne Tefillin (Gebetsriemen) anzulegen. Etliche weitere Riten werden von den Karäern anders ausgeführt als von anderen jüdischen Gemeinschaften. Der Kalender der Karäer richtet sich strenger nach dem Mond als der rabbinische und weist zahlreiche weitere Abweichungen vom traditionellen jüdischen Kalender auf. 

Einige vermuten als ethnischen Ursprung Teile des israelitischen Volkes, die nicht nach Palästina zurückgekehrt seien, nachdem sie um 720 v. Chr. aus dem Nordreich Israel von den Assyrern verschleppt worden waren oder nachdem das Babylonische Exil des Südreichs um 540 v. Chr. geendet hatte. Als Vorfahren der heutigen Karäer werden meist die Krim-Karäer vermutet, eine Volksgruppe, die im frühen Mittelalter (8.–10. Jahrhundert) in den Gebieten des Schwarzen und des Mittelmeeres siedelte. Diskutiert wird auch, ob sie Nachfahren oder lediglich Zeitgenossen der Chasaren (7.–11. Jahrhundert) sind, die zum Judentum übergetreten sind und zu den Turkvölkern zählen. 

Jehuda ha-Levi erwähnt in seinem Buch Sefer haKuzari unter anderem folgendes: Die Tatsache, dass der damalige Oberbefehlshaber der chasarischen Armee, Bulan Bek, zu einer Art „nicht-normativem“ Judentum konvertierte und dass im Chasarenreich eine der ältesten Karäerschulen der „Tiflissim“ aktiv war, verweisen darauf, dass der Chasarenfürst selbst, seine Gefolgschaft und später auch der Kagan (Herrscher) zum jüdischen Karäertum konvertierten. Außerdem berichtet der Chasarenkönig Joseph in seiner Korrespondenz mit Chasdai ibn Schaprut, dass das so genannte „normative“ Judentum erst vom Khan Obadiah, d. h. nach gut 200 Jahren eingeführt worden war. 

Erstmals erwähnt wurden die Krim-Karaiten von Aaron ben Joseph im Jahr 1294, als die Krim von der Goldenen Horde beherrscht wurde. Genetische Analysen eines kleinen Samples zeigen eine Verwandtschaft der Krim-Karäer mit den Juden, in geringerem Maße mit Turkvölkern. Enge genetische Beziehungen zu den Völkern des alten Chasarenreichs waren nicht feststellbar. Kevin Brook zufolge gebe es keine Beziehung zum Chasarenreich; die Karäer auf der Krim seien aus dem Byzantinischen bzw. Osmanischen Reich zugewandert. 

Die Karäer im heutigen Litauen und Polen (Karaimen) gehen auf Soldatenfamilien zurück, die von Vytautas dem Großen, Großfürst von Litauen, im Jahr 1397/1398 aus dem Schwarzmeergebiet angeworben und als Burgwachen in der Nähe der alten litauischen Hauptstadt Trakai angesiedelt wurden. 

Bedeutende Zentren waren neben der Halbinsel Krim auch Anatolien. Heute gibt es weltweit etwa 45.000 Karäer, von denen (2002) rund 25.000 in Israel leben, die restlichen vor allem in Polen, der Ukraine und Australien. Die Gesamtzahl der Karäer in der Ukraine und in Litauen wird (2002) auf etwa 3000 bis 4000 Menschen geschätzt. Bei der Volkszählung der UdSSR im Jahre 1989 gaben 2602 Menschen an, zur ethnischen Gruppe der Karäer zu gehören. Die Karäer können als Ethnisch-religiöse Gruppe betrachtet werden. 

 

Sabbatianer 

Der Begriff Sabbatianer (auch Sabbatisten oder Sabbatarier) bezeichnet verschiedene christliche Glaubens- und Sondergemeinschaften, die den Sabbat einhielten oder einhalten. 

Um 1528 gründete Oswald Glait, Schüler des Täuferführers Hans Hut, in Mähren und Schlesien die Gruppe der Sabbater, die den Sabbat als Zeichen für die Verheißung des „Weltensabbats“ – des letzten erwarteten Äons – rituell einhielt. Glait lehrte mit Bezug auf Heb 4 LUT und Ex 31,16 f. LUT, das Sabbatgebot sei bleibend gültig, da die Gläubigen erst nach Jesu Wiederkunft zur Ruhe Gottes gelangten. Durch seine Einhaltung werde man „versiegelt“ und bewahrt, um im Endgericht zu bestehen. Die Gruppe wollte also ihre künftige Erwählung antizipieren und ständig aktualisieren. Der Täufer Andreas Fischer löste Glait nach 1532 als Gruppenführer ab. Bis 1573 existierten mehrere Untergruppen in Mähren. Gegen sie verfasste Martin Luther 1538 die Schrift Wider die Sabbather,[1] in der er die Lehre Glaits auf jüdische Propaganda zurückführte. Diese ist jedoch nicht nachweisbar. 

Siebenbürgische Sabbatharier 

Zum judenchristlichen Typ gehörte eine 1588 gegründete Gruppe um den ehemaligen Unitarier Andreas Eössi in Siebenbürgen. Er forderte die Einhaltung des Sabbats, der übrigen jüdischen Feste und Speisegebote für Christen, nicht aber die Beschneidung. Denn Christus habe die Tora nicht aufheben, sondern die Heiden zu ihr führen wollen. Bis zu seiner Wiederkunft gelten daher die in der Tora genannten Bedingungen für die Erfüllung der prophetischen Verheißungen weiter. Diese Lehre setzte Eössis Schüler Simon Péchi ab 1621 fort und verbreitete sie auch im höheren Adel. Fürst Gabriel Bethlen erlaubte der Gruppe zu missionieren.  

1638 trennten sich die Unitarier dieser Gegend von den Sabbathariern; letztere wurden daraufhin oft verurteilt oder konvertierten zum Schein zu den Reformierten. 

Einige dieser Sabbatharier hielten sich, obgleich verfolgt, bis ins 19. Jahrhundert und wurden auch als Seelenjuden bezeichnet. Eines ihrer Zentren war der Ort Székelykeresztúr. Der letzte Rest der Gemeinschaft, die damals noch etwa 30 Familien umfasste, trat 1868 vollständig zum Judentum über. Eine der letzten sabbatharischen Gemeinden in Siebenbürgen befand sich in Bözödújfalu (deutsch Neudorf, rumänisch Bezidu Nou). Die im Nationalsozialismus verfolgte Gemeinde verlor ihr Zentrum endgültig, als Bözödújfalu in den letzten Jahren des kommunistischen Ceaușescu-Regimes einem Stausee weichen musste. Die letzten überlebenden Nachfolger der Siebenbürger Sabbatharier wurden im Holocaust ermordet. 

Russische Subbotniki 

Um 1640 traten in Russland die Subbotniki oder Sabbatniki auf. Sie übernahmen Einflüsse des jüdischen Humanismus und der Kabbala, bestritten Jesu Gottsein und Auferstehung, verwarfen die Verehrung von Ikonen, feierten das Pessach und befolgten die Toragebote, zunächst ohne Beschneidung. Wie die Juden erwarteten sie die Ankunft des Messias, wenn alle Menschen die Tora ganz halten. Ab 1760 wurden einige Teil der Molokanen, die die russisch-orthodoxe Kirche ablehnten, und hielten darin weiter den Sabbat.
 

Siebentägner-Tunker 

Im 18. Jahrhundert gründete sich in Nordamerika die Gruppe der Siebentägner-Tunker, die sich zuvor unter der Führung von Johann Conrad Beissel von der täuferisch-pietistischen Bewegung der Tunker (auch Schwarzenau Brethren) getrennt hatte. Die Siebentägner-Tunker gründeten 1732 das Ephrata Cloister. Reste der Gruppe schlossen sich im 19. Jahrhundert den Siebenten-Tags-Baptisten an.
 

Anhänger von Messiasanwärtern 

Auch die Anhänger des selbsternannten Messias Schabbtai Zvi werden Sabbatianer (oder Dönme) genannt. In der Türkei sind tatsächliche oder vermeintliche Mitglieder dieser Sabbatianer häufig Gegenstand von Verschwörungstheorien. Denselben Namen führen auch die Anhänger der Joanna Southcott. 

Heutige sabbathaltende Gruppen 

Den Sabbat aus einer Endzeiterwartung heraus halten die um 1650 in England entstandenen Siebenten-Tags-Baptisten und die 1863 gegründeten Siebenten-Tags-Adventisten – zwei evangelische Freikirchen –, die Gemeinschaft der Freien Bibelforscher sowie die jüdisch-messianischen Gemeinden (eine Gemeinschaft aus Juden und Nichtjuden, die an den Messias Yeshua (Jesus) glauben und weiterhin an jüdischen Bräuchen festhalten). 

In diesem Bereich gibt es leider auch viele Unterschiedliche “Denominationen”, die sich in einigen Glaubensfragen unterscheiden. Die wesentlichen Unterschiede, die ich bisher ausgemacht habe, sind: 

  1. Yeshua ist Gott oder nur ein Mensch 

  1. Der Tag beginnt am Abend oder er beginnt am Morgen 

  1. Der Monat beginnt bei der Sichtung der Mondsichel oder berechneter Kalender 

  1. Tag der Webegarbe nach dem großen Sabbat oder nach dem Wochensabbat 

  1. Schawuot an verschiedenen Wochentagen oder immer an einem Sonntag 

  1. Kreuzigung Yeshuas am Mittwoch, Donnerstag oder Freitag 

  1. Auferstehung Yeshuas am 16. Abib (an einem Freitag) oder am 17. Abib (an einem Sabbat) 

  1. usw. ... 

 

(Stand 21.05.2023)